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Brüssel| 2019 LV| 18 Uhr

Was machen eigentlich die Beamt:innen in den EU-Behörden in Brüssel den ganzen Tag? Wir sehen prestigeträchtige Gebäuden, Menschen in schicken Anzügen und Blazern, die mit ernsten Gesichtern durch die Straßen im Europaviertel hasten. Die vier Beamt:innen: Pēteris, Gints, Ineta, Andris und ein anonymer Erzähler aus dem Off erlauben Einblicke in ihren Arbeitsalltag. Auf der einen Seite gibt es die übergeordnete Idee, die Hoffnung von einem friedlichen Europa und die europäischen Werte: Demokratie, Toleranz und Grundrechte, die zu beschützen gilt. Auf der anderen Seite scheint die Arbeitsroutine aus dem Weg vom Kopierer zur Kaffeeküche zu bestehen. Der Film reflektiert ironisch die Gratwanderung zwischen Idealismus, Prestige und Bequemlichkeits-Lethargie. Plötzlich wendet sich das Blatt, als die Terroranschläge in Paris und Brüssel im Jahr 2015 die Welt erschüttern. Es erfolgen weitere schockierende politische Ereignisse: Wahlsieg von Trump in den USA, eine diktatorische Regierungsmacht in Ungarn, Russland-Krim-Konflikt, Flüchtlingswelle und vor allem das enttäuschende Brexit-Referendum. Wie reagieren die Beamt:innen auf all das? Ist der Glaube an einem vereinigten Europa vielleicht naiv und überholt?

 

Wenn in dem Film nicht kurz das lettische Fähnchen aufblitzen würde, wüssten die Zuschauer:innen nicht (abgesehen vom Erkennen der lettischen Sprache), dass die Protagonist:innen aus Lettland kommen. Vielleicht genau deswegen ist der Regisseurin ein unikales Zeitdokument gelungen. „Brüssel“ erzählt nicht aus der „lettischen“ Perspektive. Wahrscheinlich würden die Schilderungen anderer Europäer:innen ähnlich ausfallen. Es bedeutet aber nicht, dass die Nationalitäten plötzlich obsolet sind. Wir erahnen viel mehr ein Erwachen einer europäische Identität, in der Attribute und Symbole verschiedener Herkunft eine glückliche Koexistenz führen. So harmonisiert das belgische Muschelgericht Moules Frites organisch mit der lettischen Tischdecke aus Leinen und zwei Sprachen beim familiären Abendessen.

 

Tickets bei München Ticket: 7€ / erm. 5 €

 

Brüssel / Brisele

Dokumentarfilm

Lettland, 2019

Regie: Inese Kļava

Lettisch mit engl. UT

Länge: 65 min

 

Trailer auf Lettisch